Dynamischer Verschuldungsgrad, das ist eine wichtige, jedoch oft nicht genügend beachtete Kennzahl über die Bonität eines Unternehmens. Man beurteilt damit, ob und in welchem Zeitraum ein Unternehmen fähig ist, seine kurzfristigen und langfristigen Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten zurückzuzahlen. Diese Kennzahl ergänzt also die jahresbezogene Sicht, die eine Kapitaldienstanalyse hat. Mit anderen Worten: Der dynamische Verschuldungsgrad ist die Anzahl von Jahren, in denen alle Kreditverbindlichkeiten abbezahlt werden können.

Was sagt der dynamische Verschuldungsgrad aus?

Der dynamische Verschuldungsgrad sagt aus, in welchem Zeitraum ein Unternehmen sich durch selbst erwirtschaftete operative Liquidität, also den operativen Cash-Flow, entschulden kann. Mit entschulden ist die Rückführung des gesamten Fremdkapitals gemeint, ohne dass man hier auf die Regeltilgungen eingeht. Weil das Ergebnis sich auf einen Zeitraum, also Monate oder Jahre bezieht, spricht man oft auch von der Schuldentilgungsdauer eines Unternehmens. Umso niedriger der dynamische Verschuldungsgrad eines Unternehmens, desto höher ist die Liquidität und somit auch die Bonität des Unternehmens.

Eine Variante ist der Nettoverschuldungsgrad, in dem man dagegen die Nettoversschuldung, also die kurzfristigen und die langfristigen Verbindlichkeiten abzüglich der liquiden Mittel dem EBITDA gegenüberstellt.

Wie berechnet man den dynamischen Verschuldungsgrad?

Fremdkapital = Dynamischer Verschuldungsgrad
Cash-Flow

Um diese wichtige Bonitätskennzahl zu berechnen, benötigt man die Summe des Fremdkapitals und den operativen Cash-Flow.

Fremdkapital – was meint man damit in diesem Zusammenhang?

Grundsätzlich meint man mit Fremdkapital die kurzfristigen und langfristigen Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten und anderen Kapitalgebern, aber nicht Gesellschaftern mit deren Darlehen. Die Verbindlichkeiten bei Lieferanten kann man ebenso hinzuziehen, wenn die komplette Entschuldung des Unternehmens die Fragestellung ist.

Der Blickwinkel, aus dem man diese Kennzahl errechnet, gibt demzufolge vor, welche konkreten Werte herangezogen werden. Wenn es um die Rückführung der langfristigen Darlehen bei Kreditinstituten geht, ist es folgerichtig, nur die Summe der Bankdarlehen zu berücksichtigen.

In der Regel sind das kurzfristige Fremdkapital, also die Kontokorrentkonten, kurzfristige Kredite am Euro-Kapitalmarkt oder andere kurzfristige Finanzierungsprodukte der Kreditinstitute durch die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen abgedeckt. Daher werden sie häufig nicht berücksichtigt.

Die erhaltenen Anzahlungen stellen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden dar, weil die Leistung im Ganzen noch geschuldet wird. Diesem Wert stehen jedoch angefangene Arbeiten gegenüber, die in der Praxis meist höher als die bereits erhaltenen Anzahlungen sind. Diese Verbindlichkeiten müssen in diesem Zusammenhang also nicht berücksichtigt werden, weil man von einem Überschuss oder positiven Saldo ausgeht.

In manchen Fällen ist es richtig, wenn man auch die liquiden Mittel und besondere Rohstoffvorräte vom Fremdkapital abzieht. Dies kann der Fall sein, wenn das Unternehmen Vorräte an Metallen oder Edelmetallen oder anderen fungiblen Rohstoffen führt, die durch Layerbildung oder LiFo-Verfahren vielleicht sogar eine Bewertungsreserve aufweisen.

Cash-Flow – was meint man damit in diesem Zusammenhang?

Der Cash-Flow spielt bei der Beurteilung der Bonität eine besondere Rolle. Er stellt die erwirtschafteten Finanzmittel aus der eng gefassten, also operativen Betriebstätigkeit dar.

Den operativen Cash-Flow ermittelt man wie folgt:

= Betriebsergebnis

(+) planmäßige Abschreibung auf Sachanlagen

(+) Erhöhung der langfristigen (Pensions-)Rückstellungen

= Cash-Flow (vor Steuern)

Dynamischer Verschuldungsgrad – ein konkrete Beispielrechnung

Ein Unternehmen finanziert sich mit 4 Darlehen, die einen nominalen Wert von 1.650,0 Tsd. Euro haben. Diese Darlehen werden jedoch getilgt, so dass die Buchhaltung zum Jahresende Salden von 1.305,0 Tsd. Euro ausweist.

Das aktuelle Betriebsergebnis beträgt 455,0 Tsd. Euro und die planmäßige Abschreibung auf Sachanlagen liegt bei 245,0 Tsd. Euro. In der GuV fällt jedoch auch auf, dass man die Pensionsrückstellungen in diesem Jahr um 120,0 Tsd. Euro erhöhte. Dies bedeutet, dass das Unternehmen einen operativer Cash-Flow vor Steuern von 820,0 Tsd. Euro erzielte. Das Verhältnis von Abschreibung zu Tilgung sagt jedoch auch aus, dass man einen hohen Anteil an Investitionen aus Eigenmitteln getätigt hat.

Wenn wir die Werte unseres Beispiels in der Formel anwenden, ergibt sich folgendes:

1.305,0 Tsd. Euro pro Jahr = 1,59 Jahre
820,0 Tsd. Euro pro Jahr

Wenn wir die Werte unseres Beispiels anwenden, ergibt sich folgendes:

Der Verschuldungsgrad sagt aus, dass dieses Unternehmen seine Darlehen in 1,59 Jahren zurückzahlen kann, ohne dass man geltende Tilgungsabsprachen berücksichtigt.

Wenn man den Cash-Flow auf einen Monatswert umrechnet, wird diese Kennzahl noch konkreter.

1.305,0 Tsd. Euro pro Jahr = 19,1 Monate
68,3 Tsd. Euro pro Monat

Diese Kennzahl bedeutet in diesem Fall, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine Darlehen über 19 Monate zurückzubezahlen, in dem es lediglich die überschüssige Liquidität aus dem laufenden Geschäft einsetzt.

Dynamischer Verschuldungsgrad – welcher Verschuldungsgrad ist gut?

Die Kennzahl hat vor allem eine Bedeutung für Kreditinstitute, wenn sie über eine Kreditvergabe entscheiden oder die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens bewerten. Es gibt keine einheitliche Skala für die Beurteilung des Verschuldungsgrades, aber in der Praxis gelten folgende Richtwerte:

  • 0 bis 3 sehr gut
  • 3 bis 5 gut
  • 5 bis 8 durchschnittlich
  • 8 bis 11 ungenügend / kritisch
  • ab 11 sehr kritisch

Wenn man nach einer Faustformel sucht, so trifft man in der Praxis je nach Geschäftsmodell auf ganz unterschiedliche Ansichten. Dennoch kann man allgemein raten, dass der statische Verschuldungsgrad, also das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital, nicht höher als 2 sein sollte. Mit anderen Worte gesagt bedeutet dies, dass die Schulden nicht mehr als doppelt so hoch wie das Eigenkapital sein sollten.

Dynamischer Verschuldungsgrad – Empfehlungen für die Praxis

Die Herausforderung ist, dass man unternehmerische Entscheidungen im betrieblichen Alltag treffen und gleichzeitig die wichtigen Bonitätskennzahlen im Blick behalten muss. Es geht also darum, ein gutes Verhältnis zwischen freier Liquidität (freie Linien und Cash-Bestände) und den langfristigen Darlehen zu halten.

Viele Unternehmen folgen dem Grundsatz „Cash is King“, ob sich dies auf Handelsbetriebe bezieht, die Opportunitäten nutzen wollen, Anlagenbauer, die Probleme mit der Vorfinanzierung von Anlagen vermeiden wollen oder Unternehmen, die Konjunkturdellen sicher überstehen wollen.

Diese Überlegungen sind grundsätzlich auch berechtigt, man muss die entgegenstehenden Ziele jedoch harmonisieren und in Gleichgewicht führen. In Niedrigzinsphasen ist die Versuchung dagegen hoch, freie Liquidität zu halten.

Ein zu geringer Cash-Flow ist also ein Problem der Wirtschaftlichkeit, die Ursache kann jedoch auch in der Investitionsstrategie liegen. Wenn Unternehmen weniger investieren, als sie abschreiben, so driften diese Werte mittelfristig auseinander und die Schuldentilgung muss aus dem zu versteuernden Jahresergebnis erfolgen. Daher sind auch hier eine langfristige Strategie und ein Risikomanagement wichtig.

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